Brüsseler Berufungsgericht erklärt TCF 2.0 von IAB Europe für datenschutzwidrig – wichtige Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Am 14. Mai 2025 hat das Brüsseler Berufungsgericht den meistgenutzten Einwilligungsstandard der Online-Werbung, das „Transparency & Consent Framework“ (TCF) von IAB Europe, in weiten Teilen als datenschutzwidrig eingestuft. Besonders brisant: Der sogenannte „Transparency and Consent String“ (TC-String) wurde endgültig als personenbezogenes Datum klassifiziert, und IAB Europe als (gemeinsam) Verantwortlicher für die Verarbeitung eingestuft. Da das TCF auf Hunderttausenden Websites – darunter Google, Amazon, Microsoft und X – eingesetzt wird, betrifft das Urteil die Mehrheit der Internetnutzer in der EU.
Hintergrund
Das TCF wurde von IAB Europe entwickelt, um Einwilligungen für personalisierte Online-Werbung technisch und vertraglich zu koordinieren. Die Version 2.0 speichert Nutzerpräferenzen in Form des TC-Strings, der über das OpenRTB-Ökosystem an zahlreiche Werbedienstleister verteilt wird. Bereits 2024 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass der TC-String personenbezogene Daten enthalten kann. Daraufhin verhängte die belgische Datenschutzbehörde (GBA) Bußgelder wegen fehlender Rechtsgrundlage, mangelnder Transparenz und unzureichender Sicherheit. IAB Europe legte Berufung ein, die das Gericht jedoch abwies. Die neuere Version 2.2 war nicht Gegenstand des Verfahrens.
Kernpunkte der Gerichtsentscheidung
- TC-String als personenbezogenes Datum:
Das Gericht stellte fest, dass die Nutzerentscheidungen im TC-String mit vertretbarem Aufwand einer Person zugeordnet werden können, z.B. durch Verknüpfung mit IP-Adressen. Damit unterliegt der TC-String der DSGVO. - Mitverantwortung von IAB Europe:
IAB Europe bestimmt die Regeln zur Erzeugung, Speicherung und Weitergabe des TC-Strings und ist deshalb gemeinsam mit Webseitenbetreibern und Werbenetzwerken für die Datenverarbeitung verantwortlich, obwohl es die Daten nicht direkt verarbeitet. - Keine Verantwortung für nachgelagerte Werbeauktionen:
Für die Real-Time-Bidding-Auktionen (RTB) nach der Erstellung des TC-Strings ist IAB Europe nur dann mitverantwortlich, wenn der Verband auch dort Vorgaben macht – was im aktuellen Fall nicht nachweisbar war. - Verstöße und Sanktionen:
Das System holt keine wirksame Einwilligung ein, bietet keine ausreichende Transparenz, und es fehlen Datenschutz-Folgenabschätzung sowie ein Datenschutzbeauftragter. Das Gericht verhängte eine Geldbuße von 250.000 Euro und ordnete einen Maßnahmenplan mit einem Zwangsgeld bei Nichteinhaltung an.
Datenschutzrechtliche Bewertung und Handlungsempfehlungen
Das Urteil ist ein Weckruf für alle Beteiligten im Online-Werbemarkt. Unternehmen, die weiterhin TCF 2.0 einsetzen, riskieren Bußgelder, Abmahnungen, Reputationsschäden und zivilrechtliche Schadenersatzforderungen, da viele EU-Nutzer betroffen sind. Obwohl IAB Europe eine neue Version 2.2 entwickelt hat, die einige Mängel adressiert – etwa durch strengere Einwilligungspflichten, granulare Auswahlmöglichkeiten für Nutzer und erweiterte Transparenz – bleibt die rechtliche Bewertung dieser Version offen. Datenschutzexperten kritisieren weiterhin Unsicherheiten in der Transparenz und Komplexität der Einwilligungsprozesse.
Unternehmen sollten daher dringend prüfen, ob sie noch Version 2.0 nutzen, und gegebenenfalls schnellstmöglich auf Version 2.2 umstellen. Gleichzeitig sind folgende Maßnahmen empfehlenswert:
- Durchführung einer umfassenden DSGVO-Gap-Analyse für den Einsatz des TCF (inkl. Version 2.2)
- Sicherstellung einer belastbaren Rechtsgrundlage und vollständige Dokumentation der Einwilligungsprozesse
- Prüfung, ob die eingesetzte Consent-Management-Plattform (CMP) von Google zertifiziert ist (für Google-Werbeprodukte verpflichtend)
- Prüfung, ob Vereinbarungen zur gemeinsamen Verantwortlichkeit gemäß Art. 26 DSGVO erforderlich sind
Datenschutz wird zunehmend als wichtiger Wettbewerbsfaktor wahrgenommen. Unternehmen, die die Datenschutzanforderungen ernst nehmen und ihre Einwilligungsprozesse rechtskonform gestalten, sichern nicht nur ihre Compliance, sondern stärken auch das Vertrauen ihrer Nutzer.