AG Mainz, Urteil vom 27.03.2025 – Az. 88 C 200/24

DSGVO-Rüge zur Kundengewinnung ist rechtsmissbräuchlich

Ein Webdesigner kontaktierte einen Zahnarzt per E-Mail, weil dessen Webseite angeblich gegen datenschutzrechtliche Vorgaben der DSGVO verstoße. In der gleichen Nachricht bot er kostenpflichtige Hilfe zur Behebung dieser Verstöße an. Als der Zahnarzt nicht reagierte, machte der Webdesigner Auskunftsansprüche aus Art. 15 DSGVO geltend und ließ ein technisches Gutachten durch seinen Bruder erstellen. Die hierdurch entstandenen Kosten i.H.v. 1.160,25 € verlangte er als Schadensersatz.

Das Amtsgericht Mainz hatte zu beurteilen, ob das Verhalten des Klägers eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung datenschutzrechtlicher Ansprüche i.S.d. § 242 BGB (Treu und Glauben) bzw. ein Verstoß gegen das Verbot des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten darstellt. Ferner war zu prüfen, ob ein Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO sowie ein Erstattungsanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO (Schadensersatz bei Datenschutzverstößen) bestand.

Das AG Mainz hat die Klage abgewiesen und das Vorgehen des Klägers als rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB qualifiziert.

Nach Überzeugung des Gerichts verfolgte der Kläger mit seiner E-Mail nicht das Ziel, eigene Rechte i.S.v. Art. 15 DSGVO wahrzunehmen oder etwaige Datenschutzverstöße zur Anzeige zu bringen, sondern vielmehr, dem Beklagten eine kostenpflichtige Dienstleistung aufzudrängen. Bereits die Formulierung, man habe „keine Absicht, diese Verstöße zur Anzeige zu bringen“, spreche gegen die Wahrnehmung individueller Betroffenheit. Auch sei in der E-Mail kein Hinweis auf eine Betroffenheit i.S.v Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthalten gewesen.

Der Kläger habe unter dem Deckmantel des Datenschutzes ein kommerzielles Ziel verfolgt, was als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei.

Da der Kläger nicht nachweisen konnte, in welcher Weise er in seinen personenbezogenen Daten betroffen gewesen sein soll, verneinte das Gericht einen Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Eine bloße „Marktanalyse“ reiche nicht aus, um eine Betroffenenstellung zu begründen.

Auch ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO wurde verneint. Das vom Bruder des Klägers erstellte Gutachten sei nicht erforderlich gewesen, insbesondere, da eine einfache Beweissicherung auch durch Screenshots hätte erfolgen können. Zudem sei die Beauftragung des Bruders – mit dem Kläger in einer GbR verbunden – bereits vor Ablauf der Reaktionsfrist erfolgt. Das Gericht sah hierin einen weiteren Beleg für die primär wirtschaftliche Zielrichtung des Vorgehens.

Das AG Mainz hat die Klage abgewiesen, weil es sich um eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung datenschutzrechtlicher Vorschriften handelte. Das Verhalten des Klägers zielte nicht auf Datenschutz, sondern auf geschäftliche Vorteile ab und steht daher mit dem Schutzzweck der DSGVO nicht im Einklang.

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Datenminimierung im Onlinehandel

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  • Ein Webdesigner hatte einen Zahnarzt per E-Mail auf angebliche DSGVO-Verstöße hingewiesen – verbunden mit einem kostenpflichtigen Dienstleistungsangebot. Als der Zahnarzt nicht reagierte, machte der Webdesigner Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend (1.160,25 € für ein Gutachten seines Bruders).
    Das Amtsgericht Mainz (Urteil vom 27.03.2025 – Az. 88 C 200/24) wies die Klage ab: Das Vorgehen sei rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Der Kläger habe keine echte Betroffenheit i.S.d. DSGVO dargelegt, sondern den Datenschutz nur vorgeschoben, um Kunden zu akquirieren.
    Ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO sowie ein Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO bestünden nicht. Auch das Gutachten sei unnötig und geschäftlich motiviert gewesen.

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